Ministerium der Finanzen Sachsen-Anhalt v. 19.10.2023 – 42 – S 2702 – 3 “Gesellschaftsrechtliche und steuerrechtliche Behandlung sog. Familiengenossenschaften; modellhafte Gestaltung“
Bewertung
Die Verfügung wird wesentlich durch lehrbuchartige Ausführungen zu Grundsätzen der Genossenschaft geprägt, ohne dass dabei ein steuerlich verwertbarer Aspekt aufgezeigt würde. Erst ganz zum Schluss geht die Verfügung unter dem Titel „Besonderheiten bei Familiengenossenschaften des vorliegenden Modells“ auf ihre Kernüberlegungen ein.
„Problematisch ist bei Familiengenossenschaften die Bewertung des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters; denn dieser muss dem Zweck der Genossenschaft entsprechend handeln, der den Regelungen des § 1 GenG folgend auf die Begünstigung der Mitglieder gerichtet ist. Es wird daher von den Steuerpflichtigen vertreten, dass in der Erfüllung des Satzungszwecks keine vGA gesehen werden kann. Hier könne nur insoweit eine vGA vorliegen, als die Leistung unter den Selbstkosten erbracht wird, nicht aber aufgrund der Art der Leistung dem Grunde nach.“
„Die Besonderheiten einer Genossenschaft sind jedoch dann außer Acht zu lassen, wenn die Leistungen der Genossenschaft zwar dem Genossenschaftszweck entsprechen, diese jedoch aus dem Unternehmen finanziert werden, das von seiner Art her in keinem oder nur untergeordnetem Zusammenhang mit dem satzungsmäßigen Förderzweck steht.“
„Die auf die Finanzierung der privaten Lebensführung gerichteten Leistungen an die Mitglieder erfüllen daher die Voraussetzungen einer (verdeckten) Gewinnausschüttung. Hiervon ist auszugehen, wenn der Unternehmenszweck in keinem oder nur in einem untergeordneten Zusammenhang zu den genossenschaftlichen Leistungen stehen. Im Ergebnis dient dann das Unternehmen nur der Mittelbeschaffung zur Finanzierung der an die Mitglieder erbrachten Leistungen; aus dem Unternehmen heraus erfolgen jedoch regelmäßig nicht die dem Genossenschaftsrecht entsprechenden Sachleistungen zur Erfüllung des satzungsgemäßen Zwecks.“
„Ob und in welcher Höhe jeweils eine vGA anzunehmen ist, bleibt jedoch einer Einzelfallprüfung vorbehalten.“
Bemerkenswert ist, dass die Stellungnahme keine wissenschaftlich übliche Bezugnahme auf das Gesetzt bzw. keine Subsumtion unter die Rechtsprechung enthält. Stattdessen wird freischwebend behauptet „Die Besonderheiten einer Genossenschaft sind jedoch dann außer Acht zu lassen, wenn …“. Aber warum?
In erster Linie scheint das Verwaltungsschreiben der psychologischen Abschreckung und Verunsicherung zu dienen. Erfahrungen zeigen, dass insoweit auch höchst schwach gegründete Papier gleichwohl eine Ausstrahlungswirkung auf die Steuerpflichtigen haben.
Im Kern scheint der Ansatz des Ministeriums daran anzuknüpfen, dass eine gedachte Genossenschaft zwar über ein Mitgliedergeschäft verfügt, jedoch die Leistungen an die Mitglieder wesentlichen durch Einnahmen aus der Vermögensverwaltung (z.B. drittvermietete Häuser) sozusagen quersubventioniert werden. Auch wenn die eigentliche Erklärung dafür fehlt, warum hier eine vGA anzunehmen sein soll und das Kriterium des BFH, nämlich das Verhalten eines ordentlichen Vorstands, gar nicht thematisiert wird, scheint das Ministerium darin Munition für sich zu sehen, dass der Bereich einer Vermögensverwaltung regelmäßig nicht oder nicht wesentlich im Bereich des Mitgliedergeschäfts verortet werden kann.
Nicht reflektiert wird dabei – zusätzlich zu vielen weiteren Begründungsschwächen – das sog. Nebenzweckprivileg. Obwohl die eG grundsätzlich nur für förderwirtschaftliche Ziele zur Verfügung steht, wird ihr ebenso wie dem eV (§ 21 BGB) ein Nebenerwerbsprivileg zugebilligt. So wie der eV, um seinen ideellen Hauptzweck erreichen zu können, einen wirtschaftlichen Nebenzweck verfolgen darf, ist auch die eG dazu befugt, neben ihrem förderwirtschaftlichen Hauptzweck nichtförderwirtschaftliche, also kapitalzinswirtschaftliche oder drittnützige Nebenzwecke zu verfolgen, vgl. Beuthien/Beuthien, 16. Aufl. 2018, GenG § 1 Rn. 18. Nicht jedes zur Mitgliederförderung hinzutretende Unternehmensziel ist aber ein Nebenzweck. Der weitere Zweck darf also nicht beliebig neben den Hauptzweck treten. Vielmehr muss er auch bei der eG dazu beitragen, dass der Hauptzweck der Mitgliederförderung überhaupt oder wirksamer erreicht wird. Dementsprechend hat das Nebenzweckprivileg eine dem Hauptzweck gegenüber dienliche Funktion. Alle ihre Nebenzwecke darf die eG daher nur verfolgen, solange die damit erwirtschafteten Mittel der naturalen Mitgliederförderung zugeführt (d.h. in förderwirtschaftliche Leistungen umgesetzt, in solche Anlagen investiert oder in förderzwecksichernde Rücklagen eingestellt) und nicht ausgeschüttet werden.
Das Nebenzweckprivileg ist in Rechtsprechung und Schrifttum unumstritten, findet sich aber nicht im Gesetzeswortlaut wieder. Möglicherweise begünstigt dies Fehldeutungen durch die Finanzverwaltung.