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Ungleichbehandlung der Mitglieder in einer Genossenschaft?

Im Laufe der Inbetriebnahme der Genossenschaft stellt sich bei manch einem Vorstand oder Mitglied die Frage, ob alle Mitglieder gleichbehandelt werden müssen.

Gilt hier der sog. Gleichbehandlungsgrundsatz, gleichwohl wie viele (weitere) Geschäftsanteile die Mitglieder gezeichnet haben bzw. wie sehr sie sich in der Genossenschaft engagieren?

Oder darf man unter bestimmten Umständen das eine oder andere Mitglied auch bevorzugt behandeln?

Keinen Zettel und Stift parat?

Kein Grund zur Sorge. Nachfolgend finden Sie nochmal alle Kernaussagen übersichtlich und kompakt aufbereitet:

Was ist der Gleichbehandlungsgrundsatz und wann ist er zu beachten?

Im Genossenschaftsrecht gibt es einige Grundsätze, die ihre Wurzeln im Wesen der Genossenschaft finden und die unbedingt zu beachten sind. Einer dieser Grundsätze ist es, die Wirtschaft und den Erwerb der Mitglieder zu fördern, vgl. § 1 GenG und zwar von allen Mitgliedern unabhängig nach Beitrittsdauer in der Genossenschaft, der eingezahlten weiteren Geschäftsanteile und des tatsächlichen Engagements in der Genossenschaft.

Das dies nicht immer gerecht sein kann, liegt auf der Hand. 

 

Deshalb richtet sich im zweiten Schritt das Rechtsverhältnis der Mitglieder untereinander nach § 18 GenG, wonach die Satzung selbst Anforderungen und Bedingungen für das Rechtsverhältnis der Mitglieder untereinander schaffen kann, solange dem die expliziten Regelungen im Genossenschaftsgesetz nicht entgegenstehen. Neben den im Gesetz festgehaltenen Rechten (z.B. das Stimmrecht) und Pflichten (z.B. die Pflicht den Geschäftsanteil einzuzahlen), gibt es von der Rechtsprechung und Literatur erschaffene Grundsätze, die es genauso zu befolgen gilt. Dazu gehören das Gleichbehandlungsgebot, die genossenschaftliche Treuepflicht und die genossenschaftliche Duldungspflicht. In diesem Beitrag geht es um die spannende Frage des Gleichbehandlungsgebots.

 

Bei dem genossenschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot oder Gleichbehandlungsgrundsatz handelt es sich inhaltlich um die Pflicht der Genossenschaft, allen Mitgliedern die gleichen Rechte zu gewähren und nur die gleichen Pflichten aufzuerlegen. Dies gilt sowohl im Mitgliederverhältnis als auch im Fördergeschäftsbetrieb. Demnach darf grundsätzlich kein Mitglied gegenüber einem anderen Mitglied mehr Rechte oder Pflichten haben (vgl. Beuthien, GenG § 18 Rn. 60). Anders gesagt: Es handelt sich dabei um ein absolutes Gleichbehandlungsgebot. Im Gegensatz dazu gibt es das relative Gleichbehandlungsgebot, bei dem unter bestimmten Umständen und bei Vorliegen von sachlichen Gründen ungleich behandelt werden darf.

Absolutes Gleichbehandlungsgebot

Beim absoluten Gleichbehandlungsgebot müssen alle Mitglieder gleichbehandelt werden, es dürfen keine Ausnahmen oder ungleichbehandelnde Regelungen in der Satzung getroffen werden. Solche satzungsändernden Beschlüsse wären zwar nicht von Anfang an nichtig, der Vorstand würde jedoch eine Pflichtverletzung begehen, wenn er/sie die Beschlüsse vollziehen würde. Die Beschlüsse wären vor den zuständigen Gerichten anfechtbar und zwar innerhalb von 1 Monat nach Verkündung und bei erfolgtem Widerspruch zu Protokoll durch das betroffene Mitglied.

Hinweis:

Anders als bei rechtswidrigen Beschlüssen, sind Beschlüsse, die nichtig sind (z.B. gegen das Strafrecht verstoßen) von Anfang an nicht existent und dürfen jederzeit ohne Frist beim Gericht als solche Festgestellt werden. Im Übrigen sind nur solche nichtigen Beschlüsse nach 3 Jahren geheilt, die im Registergericht eingetragen werden (z.B. Wahl eines Vorstandes bei einer von einem nicht zuständigen Person einberufenen Generalversammlug).

Zum absoluten Gleichbehandlungsgrundsatz gehören folgende Regelungen:

Förderung aller (dh nicht nur einiger) Mitglieder (§ 1 I), die höchstmögliche Anzahl u Höhe der Geschäftsanteile (§ 7 Nr 1), der Umfang der Pflichteinzahlung (§ 7a II 1), die Haftsumme (§ 119) sowie das Austrittsrecht (§ 65) (Aufzählung nach Beuthien, GenG § 18 Rn. 60).

 

Das Recht auf absolute Gleichbehandlung besteht nur soweit, wie eine gesetzliche Regelung nicht getroffen wurde (OLG Naumburg OLGR 2008, 916). Darüber hinaus haben die Mitglieder gegenüber der Genossenschaft einen Anspruch auf relative Gleichbehandlung (Pöhlmann/Fandrich/Bloehs/Pöhlmann, 4. Aufl. 2012, GenG § 18 Rn. 20).

Relatives Gleichbehandlungsgebot

Das bedeutet, dass Gleiches gleich zu behandeln ist, bei ungleichen Voraussetzungen aber angemessene Differenzierungen zwischen den Mitgliedern gemacht werden dürfen. Diese müssen auf einer sachlich gerechtfertigten Grundlage beruhen und wiederum für alle Mitglieder in gleicher Weise gelten (Pöhlmann/Fandrich/Bloehs/Pöhlmann GenG § 18 Rn. 20). Sachliche Gründe können sein:

Die Differenzierung muss ihren Grund in dem getätigten Geschäft haben. Sachliche Gründe, die nichts mit dem Geschäft, der Wirtschaft der Mitglieder oder dem Erwerb zu tun haben, sind daher keine sachlichen, sondern allenfalls persönliche Gründe (Pöhlmann/Fandrich/Bloehs/Pöhlmann, 4. Aufl. 2012, GenG § 18 Rn. 20).

Fallbeispiel

Die Genossenschaft möchte neue Märkte im Ausland erobern und bietet daher Mitgliedern an, durch den Vertrieb der Produkte im Ausland günstigere Einkaufspreise zu erhalten. Bei einem Vertrieb des Produktes im europäischen Ausland kostet das Produkt pro Stück 1 EUR im Einkauf, beim Vertrieb desselben Produktes im Ausland nur 0,50 EUR. Mitglieder 1 und 2 haben Erfahrung im Vertrieb im Ausland und möchten diese Gelegenheit nutzen. Mitglieder 3 und 4 nicht. Werden die Mitglieder 3 und 4 ungleich behandelt?

Lösung:

Neue Märkte außerhalb der EU zu erobern und dafür die Waren an Mitglieder, die den Markt erobern wollen, günstiger anzubieten, ist ein sachlicher Grund , ähnlich wie oben beim Mengenrabatt. Wenn nun alle dieselbe Chance haben, es jedoch Mitglieder gibt, die in ausländischen Märkten nicht vertreiben wollen, so ist es ihre eigene geschäftliche Entscheidung. Es handelt sich daher um eine relative Ungleichbehandlung und ist durch die sachlichen Gründe gerechtfertigt.

Genauso verhält es sich bei der Frage, ob man Mitgliedern, die mehr als 5 Jahre lang bei der Genossenschaft dabei sind, ab dem 5. Jahr der Mitgliedschaft die Möglichkeit eröffnet, weitere Anteile zu zeichnen. So kann man durch die Dauer der Zugehörigkeit bei der Genossenschaft neue Mitglieder ungleich behandeln, da hier der sachliche Grund der Zugehörigkeitsdauer vorliegt.

 

Sollte eine Ungleichbehandlung doch noch vorliegen, weil einigen Mitgliedern die Leistung von vorneherein nicht möglich sein wird, so kann man durch Gewährung anderer Vorteile die Ungleichbehandlung auch ausgleichen. Mitglieder, die im Inland verkaufen, können dafür beispielsweise andere Dienstleistungen von der Genossenschaft günstiger erhalten.

Tipp

Die sachlichen Gründe und überhaupt die Hintergründe sollten jedoch auf jeden Fall in einem Beschluss festgehalten werden. In manchen Fällen, wie oben bei der Gewährung des Rechts auf Zeichnung weiterer Anteile, sollte eine Satzungsänderung die Neufassung regeln. Beides, also die Satzungsänderung und die Beschlussfassung sollte in einer Generalversammlung und von der Mehrheit der Mitglieder unterzeichnet werden (bei Satzungsänderungen ¾ Mehrheit) vorgenommen werden. Wenn eine Preisliste noch zusätzlich auf der Homepage veröffentlicht wird und dem Beschluss beigefügt wird, steht es dem ganzen Vorhaben nichts mehr entgegen.

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